Jede Konsole, die etwas auf sich hält, braucht ihre eigene, exklusive Rennspiel-Simulations-Serie. Während Microsoft bei Forza zwei Varianten – einmal casual und einmal realistisch – betreibt, geht es bei Nintendo mit Mario Kart gewohnt etwas niedlicher zu. Bei Sony gibt es dagegen seit Jahren die Gran Turismo Reihe, die mit Gran Turismo Sport endlich einen Nachfolger auf der PS4 bekommt.
Gran Turismo Sport (PS4)
Inhaltsverzeichnis
Die Reihe blickt auf eine lange Vergangenheit zurück. Vor 20 Jahren erschien der erste Ableger auf der klassischen PlayStation. Seitdem erschienen sechs verschiedene Teile über alle Generationen der PlayStation hinweg. Zudem gab es auch Abkopplungen für die PlayStation Portable. Nach vier Jahren Entwicklungszeit erscheint mit Gran Turismo Sport die siebte Fassung endlich für die PlayStation 4.
Sony stand bei der Entwicklung dieser Version vor vielen Herausforderungen. Einerseits musste sich der Hersteller gegenüber der plattformeigenen Konkurrenz mit Driveclub absetzen, andererseits bietet der Konzern mit der PS VR eine eigene Virtual Reality Lösung an, der es über ein Jahr nach dem Release immer noch an wirklich starken Titeln mangelt. Dabei bietet es sich ideal an, die eigene Hardware weiter mit eigenen, starken Games zu versorgen.
Gameplay
Der Fokus von Gran Turismo Sport liegt eindeutig auf dem Bereich Multiplayer. Eigene Singleplayer Kampagnen gibt es zum Start keine, die Trainingsrennen werden aufgrund der – nur in drei Stufen einstellbaren – KI schnell Dröge. Bevor wir in den Multiplayer Modus starten dürfen, werden wir mit zwei Videos in die sogenannte Rennetikette eingeführt. Über den Erfolg während der Rennen entscheidet nicht nur die Rundenzeit oder die Positionierung, sondern auch das Verhalten während des Rennens. Eine gute Entscheidung, so ist die Renncommunity gefühlt tatsächlich die fairste, die ich bisher gesehen habe. Nichts ärgert mich mehr als Fahrer, die einfach in die Seite crashen – in Gran Turismo Sport entfällt das quasi. Auch das Matchmaking ist wirklich gelungen, die Rennen sind in der Regel herausfordernd, aber schaffbar.
Bei Fahrverhalten und Physik hat auch die siebte Version klar die Nase vorne. Das Spiel ist extrem realistisch und lässt sich nahezu grenzenlos mit Einstellungen verändern. Die vielen Einstellungsmöglichkeiten bringen auch vereinfachte Modi mit sich, sodass Einsteiger im Vergleich zu früheren Titeln auch einen Weg in das Spiel finden können. Das schrittweise Entfernen oder Reduzieren der Fahrhilfen wirkt dabei äußerst belohnend und stellt damit ein interessantes Fortschrittsystem dar.
Technische Umsetzung
Technisch hat sich die Serie deutlich weiterentwickelt, die lange Wartezeit hat sich gelohnt. Die Entwickler von Polyphony haben gute Arbeit geleistet. Optisch braucht sich der Titel nicht vor Forza Motorsport 7 verstecken, ähnlich wie die Konkurrenz entfaltet Gran Turismo Sport die volle Leistung erst auf der stärkeren PlayStation 4 vollständig. In Sachen Licht und Blendeffekte wird leider etwas dick aufgetragen, während des Rennens stören sie häufig. Generell stellt auch Gran Turismo die Autos deutlich stärker in den Mittelpunkt, hier haben sich die Entwickler einiges von der Forza Reihe abgeschaut. Auch in Sachen Sound wurde nachgelegt – die Motorgeräusche klingen endlich realistisch und auch die Musik ist in Ordnung.
Der VR Modus ist, wie so oft, nur ein nettes Add-on. Im Einzelspielermodus kann gegen einen einzigen Computergegner angetreten werden. Offenbar benötigt das System zu viel Grafikleistung für die schwache Hardware der Brille. Letztlich ist das sehr schade, nicht einmal Sony schafft es, die Brille wirklich gut dastehen zu lassen.
Umfang
Während die Umsetzung bisher auf voller Linie überzeugen konnte, enttäuscht sie hier vollkommen. Sowohl bei den Strecken als auch bei der Fahrzeugauswahl wurde eindeutig massiv der Rotstrich angesetzt. In manchen Punkten erscheint das anfangs sinnvoll. Gran Turismo verzichtet auf die klassischen Familienkutschen und setzt stattdessen rein auf Sportwägen. Dennoch ist die Auswahl etwas gering. Der Vorgänger brachte über 1.000 Autos auf die virtuelle Rennstrecke, Forza Motorsport über 700. Dagegen erscheinen die 182 Autos von Project Cars schon beinahe lachhaft – und Gran Turismo Sport hat gerade mal 162.
Stichwort virtuelle Rennstrecke: Auch hier gibt es wenig Angebot. Es gibt nur 20 Strecken mit rund 40 Variationen. Im Vergleich: Forza Motorsport 7 bietet 32 Strecken, Projekt Cars 2 ganze 46. Damit ist Gran Turismo Sport in beiden Kategorien das klare Schlusslicht.
Erst mit Update wirklich vollständig
Wie bereits dargestellt, traf Sony einige Designentscheidungen im Vorfeld, die weder ich noch die Community wirklich begrüßten. Ein starker Fokus auf Multiplayer mag eine gute Entscheidung sein, muss aber nicht unbedingt bedeuten, dass es gar keinen Singleplayer mehr gibt. Auch die geringe Auswahl der Fahrzeuge wirkt nicht wie ein neu gefundener Fokus, sondern eher wie Arbeitsverweigerung. Die Entscheidungen führten zu – meiner Meinung nach verständlichen – schlechten Bewertungen und einem rapiden Preisverfall des Spiels.
Sony blieb zum Glück dran und veröffentlicht nach und nach Updates mit weiteren Inhalten. Mit Updates im November und Dezember wurden 15 neue Autos hinzugefügt, zudem gibt es endlich den GT League Modus. Dabei handelt es sich um den lang ersehnten Einzelspielermodus.
Die neuen Autos sind:
- Iso Rivolta Zagato VGT
- Audi R18
- Shelby Cobra
- Mazda RX-7 Spirit R Type A
- Nissan Skyline GT-R V
- Nissan Skyline GT-R V spec II Nür
- Ford F-150 SVT Raptor
- Lamborghini Countach LP400
- Ferrari F40
- Ferrari Enzo Ferrari
- KTM X-Bow R
- Suzuki Swift Sport
- Volkswagen Samba Bus Type 2
- Chris Holstrom Concepts 1967 Chevy Nova
- Chevrolet Corvette Stingray Convertible (C3)
Bis zum März möchte Sony weiter nachrüsten. 50 neue Autos sollen den Weg ins Spiel finden, zudem soll der wirklich schwache VR Modus weiter aufgebohrt werden.
Fazit – Was ewig währt, wird irgendwann gut
Technisch betrachtet ist Gran Turismo Sport ein guter Titel, die jahrelange Arbeit an der Engine hat sich wirklich ausgezahlt. All die gute Technik hilft aber nichts, wenn diese nicht in ein Spiel gegossen wird. Der Inhalt des Grundspiels war beinahe eine Beleidigung und grenzt an Arbeitsverweigerung der Entwickler. Mit den zusätzlichen Inhalten – die eher als Rechtfertigung des Kaufpreises denn als Bonus zu sehen sind – wird das Spiel langsam aber doch vollständig. So erhält der Käufer eine gute, realistische Rennspielsimulation, die in ihren Kernkompetenzen – Autofahren im Single- und Multiplayer Modus – wirklich gelungen ist. Die VR Umsetzung ist nicht der Rede wert und wird der Hardware auch nicht zu neuen Verkaufserfolgen verhelfen.
Bildquelle Coverbild: Peter Manser