Tablets werden nicht nur immer kleiner und transportabler sondern bieten auch immer mehr Features. Neben gängigen Multimediafeatures versuchen einige Hersteller diese Geräte vom Smartphone immer weiter abzuheben und in Richtung Notebooks und Desktops aufschließen zu lassen. Gerade Microsoft versucht es seit einiger Zeit mit dem Surface vor zu machen – die Zukunft des Computers ist das Tablet.
Erfahrungsbericht – Umstieg von macOS auf iOS
Inhaltsverzeichnis
Ähnliches versucht auch Apple seit dem Herbst 2015, hier wurde das große iPad Pro veröffentlicht das neben der größeren Bildschirmdiagonale, ähnlich wie andere Vertreter der Business Tablet Kategorie, auch mit einem Stift und einem Keyboard überzeugen möchte.
Microsoft ist offensichtlich der Meinung das es für professionelle Einsatzbereiche auch ein richtiges Betriebssystem braucht. Apple sieht dies offensichtlich anders – während auf den Surface Produkten das Desktopbetriebssystem Windows 10 zum Einsatz kommt bleibt das iPad Pro ein großes Smartphone – denn es setzt «nur» auf iOS. Keine Frage – iOS ist definitiv ein sehr mächtiges System, ich schätze es seit fast 10 Jahren auf meinem Smartphone, doch reicht dieses System auch für wirklich produktiven Einsatz?
Nachdem ich die letzten Monate den Größtenteil mit einem MacBook bestritt waagte ich nun den Versuch – den Umstieg auf ein iPad Pro. Damit meine ich nicht nur einen einfachen «wenn es mir gerade passt» Umstieg, denn ich nutze das iPad schon lange im Businessumfeld, sondern tatsächlich als kompletten Ersatz. Das iPad, so wie Apple es uns suggerieren wollte, als «Post PC» Gerät.
Das Testfeld
Doch was für Anwendungen nutze ich eigentlich? Natürlich hängt Erfolg und Misserfolg des Tests auch von dem realen Einsatzgebiet ab. Ohne Frage – iPads reichten auch in der Vergangenheit schon für eine Vielzahl von Anwendungen aus. Surfen, Termine, ein paar Emails, dafür wird kein iPad pro benötigt – dafür reichte schon die mittlerweile ausgestorbene Kategorie der Netbooks.
In meinem täglichen beruflichen Einsatz arbeite ich viel mit Dokumenten, in der Regel Office Dokumenten und PDF’s. Zusätzlich benötige ich Software zum Verwalten und der Organisation von Wissen, Anlegen von Notizen und Mitschriften und einige wenige Kreativsoftware – damit seien Mindmaps etc. und nicht Bildbearbeitung gemeint.
Diese benötigte ich hingegen mehr oder minder privat. Ich schreibe Blogposts und Zeitungsartikel, in modernen Zeiten ist dafür nicht nur die Eingabe von Text sondern auch die Verarbeitung von Fotos und Videos notwendig. Zusätzlich bin ich Podcaster und zeichne auf meinen Geräte mobil als auch zu Hause mit unterschiedlicher Audiohardware auf. Hin und wieder müssen auch diese Audiodateien entsprechend nachbearbeitet und aufbereitet werden.
Neben diesem professionellen Einsatz surfe ich natürlich auch im Internet, lese und betreue Social Media und RSS Feeds, bearbeite und schreibe (eine viel zu große Menge) Emails, tausche mit mit anderen Kontakten in Messengern aus und konsumiere Medien – Musik, Podcasts und Videos. Aus dem Internet als Stream, lokal vom jeweiligen Gerät oder via DLNA etc. vom eigenen NAS.
All diese Anwendungen soll künftig mein iPad Pro 9,7 Zoll übernehmen.
Sonderfall Podcasten
All diese Anwendungen? Fast alle, denn das Aufzeichnen von Live – Podcasts werde ich weiterhin über ein Notebook vornehmen. Auch podcasten wäre – über den Umweg eines Lightning zu USB Adapters – mit manchen Mikrofonen möglich – dies passt aber nicht zur aktuellen Aufnahmesituation.
Zwar besitze ich ein Shure MV5 das direkt via Lightning angeschlossen werden kann, wir bestreiten unsere Aufnahmen im GeekTalk allerdings mit Mumble, eine Software die nicht zufriedenstellend auf iOS zur Verfügung steht. Um einen Teil des Tests also vorweg zu nehmen – podcasten wäre grundsätzlich auf einem iPad möglich, verlangt aber nach sehr spezieller Hardware und einer passenden Aufnahmesituation.
Für das Fazit ist diese Ausnahme, meiner Auffassung nach, aber nicht besonders ausschlaggebend. Natürlich handelt es sich dabei um eine professionelle Anwendung die aber – leider – sehr nieschenhaft ist. Damit steht und fällt der Umfang eines kompletten Umstiegs auf ein iPad letzten Endes nicht.
Das Zubehör
So sehr ich es kurzfristig versucht habe – Ohne Frage, ein iPad alleine reicht auf keinen Fall für einen tatsächlich professionellen Einsatz aus. Dies sieht offensichtlich auch Apple so – dementsprechend bietet der Hersteller von sich aus einiges an eigenem Zubehör an.
Tastatur
Ohne Tastatur ist, aus meiner Sicht, an keinen professionellen Einsatz zu denken. In meinem Test entschied ich mich für eine separate, dünne, Bluetooth Tastatur von Logitech – den Keys to Go. Apples eigene Tastatur kam für mich nicht in Frage da diese nicht mit deutschem Tastaturlayout verfügbar war. Auch das Create aus dem Hause Logitech war Anfangs nicht in der richtigen Größe verfügbar. Mittlerweile hat sich zwar beides geändert, dennoch bereue ich meine Entscheidung nicht und werde mir auch jetzt, nach dem beide Geräte verfügbar wären, keinen Ersatz zulegen. Das hat zwei Gründe – einerseits sind mir die vorhandenen Lösungen simpel zu schwer und zu wenig universell, andererseits empfinde ich den Smart Connector bei Keyboards eher als einen Nachteil.
So praktisch es sein mag die Tastatur nicht laden zu müssen – so inflexibel ist diese Verbindung. Im täglichen Gebrauch steht mein Gerät oft an einem nicht direkt erreichbaren Ort, durch die kabellose Tastatur bin ich wesentlich flexibler als wenn ich Tablet und Tastatur direkt verbunden wäre. Gerade diese Unabhängigkeit war und ist für mich immer ein Vorteil dieser Lösungen im Vergleich zum Notebook, ein Vorteil der durch die starre Verbindung wieder aufgehoben werden würde.
Aber natürlich – mein Bluetooth Keyboard muss aufgeladen werden. Wie oft? Ich weiß es nicht. In meinem einen Testmonat musste ich die Tastatur kein einziges Mal laden. Trotzdem ich viele Beiträge für Blogs und Emails schrieb. Zugegeben – nach der häufigen Anwendung war die Tastatur nach diesem Monat laut Ladestandsanzeige beinahe leer – nach zwei Stunden an einem MicroUSB Kabel aber wieder komplett einsatzbereit. Obendrein ist die von mir gewählte Tastatur komplett abwaschbar – ein weiterer, praktischer Vorteil.
Der Apple Pencil
Hier entwickelt das Tablet für mich klar den größten Vorzug. Der Apple Pencil ist ein geniales Stück Technik das besser funktioniert als jeder andere digitale Stift den ich je verwendet habe. Latenzfreies Zeichnen und Schreiben ist meiner Meinung nach endlich das erste Mal tatsächlich auf einem Tablet möglich. Und hier liegt für mich ein klares Plus im Vergleich zum Notebook.
Digitales Zeitalter hin oder her, einige Notizen und Mitschriften nehme ich bis heute lieber per Stift und Papier vor. Auch das kommentieren von bestehenden Dateien oder Dokumenten geht mir so leichter von der Hand. Oft stand ich vor dem Problem handschriftliche Notizen wieder digitalisieren zu müssen. Kurz gesagt – mit dem Apple Pencil ist dies Vergangenheit.
Ich möchte sogar noch einen Schritt weiter gehen – die Stifteingabe macht das iPad für mich quasi zum Papier 2.0. Ein Beispiel: Meine Schwiegereltern kündigten sich zum Besuch an. Meine Frau und ich sammelten mögliche Ideen, Lokale und Ausflugsorte. Anschließend gruppierten wir diese mit farblichen Textmarkermarkierungen nach Tagen. Falsche Gruppierung? Kein Problem, die Farbe konnte auf dem iPad einfach entfernt werden bzw. geändert. Auf normalen Papier wäre dies nicht möglich gewesen. Die Planung ist fertig und soll versendet werden? Kein Problem – Share Button und ab in den Messenger an den Schwiegervater. Papier hätten wir erst wieder digitalisieren müssen. Was hier wie ein reiner Nerd Anwendungsfall klingt ist es aber nicht. Ohne das ich etwas sagen musste wurde auch meiner Frau dieser tolle Einsatzbereich – quasi Papier 2.0 – sofort klar. So erging es mir in vielen anderen Situationen auch immer öfter innerhalb der Familie oder unter Kollegen.
Das Betriebssystem
Apple gab sich in den letzten Monaten und Jahren sehr viel Mühe iOS um einige sinnvolle Anwendungen zu ermöglichen. Vorne weg die erweitere Unterstützung von externen Tastaturen. Endlich ist es möglich die meisten Funktionen von iOS auch via externer Tastatur zu steuern. Sofern Shortcuts nicht bekannt sind können diese via langem Druck auf die CMD Taste eingeblendet werden. Ein wirklich nützliches Feature. Trotz all dieser Mühe – wirklich zu Ende gedacht wurde all dies leider nicht. So kann ich zwar den Finder direkt via Tastatur bedienen, die Ergebnisse aber nicht per Keyboard anwählen. So bleibt der eigentlich unnatürliche Klick auf das Display, sofern das Tablet wie ein Notebook betrieben wird, leider nicht aus.
Natürlich wurde – endlich – auch Fenstermanagement nach gereicht. Es ist möglich zwei Fenster nebeneinander darzustellen und auch beide Fenster aktiv zu haben. Wirklich toll – doch eigentlich ein alter Hut. In Realität betreibe ich gerne auch 3 oder 4 Fenster auf einem Display, und ja, ich würde dies auch auf einem 10 Zoll Gerät tun. Leider ist dies aber nicht möglich. Und der Betrieb von zwei Fenstern funktioniert leider auch nur wenn die jeweiligen Apps dies auch unterstützen. Und auch hier wurde einiges nicht fertig gedacht. Gerne würde ich zwei Websiten nebeneinander öffnen können – doch Safari unterstützt dies nicht. Dafür benötigte ich andere Programme oder weitere Browser. Meiner Meinung nach eine absoult basische Anwendung die sicher bei vielen Nutzern die erste Idee von Fenstermanagement wäre, dennoch ist Apple erst ein Jahr nach der Einführung des iPad Pro mit iOS 10 in der Lage so etwas auch anzubieten.
Bei all den Mühen – hier gibt es sehr viel Luft und Potential nach oben. Multitasking, Videooverlays – alles schön und gut, doch die fehlende Unterstützung der Hersteller und auch die fehlenden Anpassungsmöglichkeiten von Apple lassen keine nennenswerten «Pro» Ambitionen durchblicken.
Die Anwendungsfälle und Apps
Kommen wir letztlich zu den unterschiedlichen Einsatzgebieten die ich zuvor bereits skizziert hatte. Zum Bearbeiten von Dokumenten steht zum Glück Microsofts Office direkt zur Verfügung. Zwar gäbe es hier auch Lösungen von Apple – Pages, Numbers und Keynote – ich bevorzuge dennoch jene von Microsoft. Hier funktioniert fast alles mit nicht nennenswerten Einschnitten – aber nur fast. Effektives Arbeiten mit Excel ist aus zwei Blickpunkten nicht möglich: Einerseits ist die Eingabe komplexerer Formeln wirklich mühseelig, andererseits gibt es keine Unterstützung von Makros / VBA auf dem Tablet. Auch meine Access Datenbanken kann ich nicht auf dem Tablet bearbeiten.
Zur Verwaltung von Terminen, Aufgaben, Notizen und Wissen stehen unzählige, sehr gute Apps zur Verfügung. Hier hat das Tablet gegenüber dem Desktop PC klar die Nase vorne. Ein Beispiel: Für meine Aufgaben nutze ich Wunderlist, ein Dienst der eigentlich Mobile First aus der Taufe gehoben wurde. Für Notizen nutze ich gerne Microsoft OneNote – eine Anwendung die zwar zuerst auf Desktops verfügbar war aber immer mehr in Richtung mobilen Einsatz optimiert wurde.
Für den privaten Einsatz steht mein Schreibprogramm der Wahl – iA Writer – ebenso auf dem Tablet wie auch auf meinem Mac zur Verfügung. Hier gibt es einige gute Konkurrenz, und letztlich gäbe es auch Word und Pages. Das Bearbeiten von Bildern erledige ich via Pixelmator, das Schneiden von Videos mit iMovie. Für die Bearbeitung von Audiodateien reicht Apples Garageband ebenso vollkommen aus. Nach getaner Arbeit wird so oder so alles via Cloud geshared – deren Apps gibt es auch alle auf dem Tablet.
Auch für private Unterhaltung hat das Tablet jede Menge zu bieten – auf meine Daten im Netzwerk greife ich via Infuse zu, Streaming auf diverse Geräte via Airplay oder Google Cast ist kein Problem. Podcasts funktionieren in der Regel auf mobilen Plattformen ohnedies besser und auch in Sachen Musik werden dem Nutzer alle Apps geboten. Für das Surfen reicht Safari, für Emails setze ich auf Airmail. Ohne Frage, hier gibt es mittlerweile oft bessere und modernere Angebote als auf Desktop Betriebssystemen.
Fazit
Die Idee klingt gut – ein iPad statt einem Notebook – die Umsetzung ist aber noch nicht ganz ausgegoren. Einerseits wird natürlich einiges an Zubehör für einen wirklich professionellen Einsatz benötigt, andererseits mangelt es noch an der wirklichen Unterstützung seitens des Betriebssystems. Nichts desto Trotz war ich tatsächlich begeistert wie viele Aufgaben sich mit einem iPad ohne großartige Anstrengungen zu erledigen waren. Über Rechenleistung etc. musste ich mir nie Gedanken machen und selbst einige Programme funktionierten – aufgrund ihres «Mobile First Ursprungs» – auf dem Tablet deutlich besser als auf meinem Notebook.
Mit der vielen Hardware liegt mein iPad in Sachen Gewicht kaum unter dem meines MacBooks, eine Summe die sich auch auf den finanziellen Aufwand anwenden lässt, doch die Nachteile überwiegen letztlich dennoch. So sehr ich mir eingestehen muss das Tablets weiter sind als ich selbst gedacht hätte – auf dem Niveau meines Notebooks sind sie trotz allem noch nicht.
Nachtrag
Nachtrag zu iOS 10 – Auch mit iOS 10 hat das Betriebssystem leider keine weitgehenden Verbesserungen bzw. einen Ausbau in Sachen Pro-Features bekommen. Lediglich die oben angesprochene Tabunterstützung von Safari fand Einzug in das neue Betriebssystem. Sonstige Chancen hier eine verbesserte Unterstützung der Pro Linie bzw. der Multitasking / Window Features zu bieten lässt Apple weiterhin ungenutzt.
Ein interessanter Post vorallem weil ich genau den gleichen Umstieg (natürlich mit anderem Testfeld) ebenfalls gemacht habe.
Zwei Feedbacks:
Bei der offiziellen BT-Tastatur von Apple wird der Batteriestatus nicht nur angezeigt, er ist auch nach mehreren Wochen im Betrieb noch nicht einmal bei der Hälfte.
Deine Aussagen bezüglich den zwei Festern von Safari ist inzwischen veraltet, iOS 10 führt diese Möglichkeit ein (https://www.tekrevue.com/tip/safari-split-view-ipad/).
Und deine Aussage bezüglich VBA und Access finde ist zwar korrekt, aber VBA wird wohl gegen Apple’s Richtlinien verstossen und Access ist wahrscheinlich zu leistungshungrig.
Was ich noch vermisse ist eine Ausführung von der fehlenden Unterstützung seitens des Betriebssystems wie du es im Fazit beschreibst.
Hallo Patrick,
vielen Dank für dein Feedback. Welche Tastatur meinst du genau? Die externe Apple nehm ich mal an? Das Case von Apple hat ja meinem Wissen nach keinen Akku oder? Das wird ja imho nur via Connector mit Strom versorgt.
Wegen Safari stimmt – der Artikel wurde noch unter iOS 9 geschrieben und jetzt später veröffentlicht, ich werde das im Artikel mal nachfasse.
Ja, bin mir sicher VBA würde nicht erlaubt werden, und ein Port auf iOS macht da wegen Leistung – ähnlich wie Access wenig Sinn. Das war auch nicht als Anklage an die Hersteller gemeint – eher als Grund warum mir iOS einfach nicht reichen würde.
Die fehlende Unterstützung seitens Betriebssystems habe ich, zugegeben recht kurz, im Block Betriebssystem ausgeführt. Da ging es mir einfach darum dass iOS generell einfach zu wenig „Pro“ ist aktuell für meinen Geschmack.
Hallo Jan
Ich habe die Magic Keyboard und wie du auf das Case kommst ist mir leider nicht ganz klar sorry. Aber stimmen tut die Aussage trotzdem, die Apple Cases haben keine Batterie.
Noch ein technisches Feedback für deinen Admin:
Der HTML Code bei einer Kommentar-Benachrichtigung ist wohl ein wenig durcheiander gekommen, siehe Screenshot 🙂 http://m.imgur.com/z3xz1FC
War für mich die naheliegendste Apple Tastatur da das Tastaturcase ja quasi direkt dafür angeboten wird. =)
Bei manchen externen Tastaturen zeigt er mir auch den Ladestatus an, auch wenn die nicht von Apple kommen.
Fehler gebe ich weiter – bei mir unter Airmail sieht das teilweise genau so aus ,…
Hatte auch zuerst die integrierte bevor ich sie dann verkaufte und mir die magic geholt habe. Schreibe aber auch oft zuhause.
Die fehlende Unterstützung seitens Betriebssystems habe ich, zugegeben recht kurz, im Block Betriebssystem ausgeführt. Da ging es mir einfach darum dass iOS generell einfach zu wenig „Pro“ ist aktuell für meinen Geschmack.
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